Angedacht

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© Stefanie Bahlinger, Mösingen / www.verlagambirnbach.de

Wo fühle ich mich wohl? - Da, wo ich sein kann, wie ich bin. Wo ich mich nicht verbiegen muss, um gemocht zu werden. Wo ich mit meinen Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen ernstgenommen werde. Wo ich keine Angst haben muss, abgeschrieben oder ausgestoßen zu werden, wenn ich nicht so funktioniere, wie es von mir erwartet wird. Welche Orte fallen mir da ein? - Ist es meine Ehe, meine Familie, mein Arbeitsplatz? Sind es Freunde? Letztere kann ich mir bekanntlich aussuchen... – Ganz anderes hat Paulus im Blick, wenn er am Ende seines Briefes an die Christen in Rom schreibt: Nehmt einander an... Er richtet sich mit dieser Aufforderung an eine bunte Mischung von Christinnen und Christen, an solche mit heidnischen und jüdischen Wurzeln. Letztere sind wohl in der Minderheit. Unterschiedliche Meinungen über „den christlichen Lebensstil“ führen dazu, dass sie sich gegenseitig verunsichern und sich ein schlechtes Gewissen machen. Sie verachten und verurteilen einander. In den Köpfen und Herzen entsteht eine Aufteilung in Starke und Schwache im Glauben. Der Streit darüber droht die Gemeinde zu zerreißen. Alles nur ein frommer Wunsch? Heute fassen wir ihn in Begriffe wie Toleranz, Akzeptanz, Einheit in aller Verschiedenheit. Oft gefordert, selten konsequent umgesetzt. Jedenfalls leichter gesagt als getan. Annehmen meint zunächst Gottes konkretes Eingreifen in das Leben von Menschen: er zieht sie aus Gefahr und Verlassenheit zu sich und bietet ihnen einen Schutzraum an. Ganz stark kommt das in den Psalmen zum Ausdruck: „Er streckte seine Hand aus von der Höhe und fasste mich und zog mich aus großen Wassern.“ (Ps. 18,17) So argumentiert Paulus: wie könnt ihr Leute unter euch verachten und aus eurer Gemeinschaft ausschließen, wenn Gott sie angenommen hat? Was maßt ihr euch an? Er ergänzt seine Aufforderung: Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat. Christus, sein bedingungsloses Ja zu euch, seinen Kindern, ist euer Bindeglied! Keine gemeinsame Idee oder Aufgabe, keine Lehre und keine Kirche schaffen die Einheit, die Christus schafft. Die Künstlerin Stefanie Bahlinger stellt das in einem Flickenteppich dar. Stücke aus unterschiedlichem Material sind zusammengenäht. Es gibt Teile mit ähnlichen Farben und Mustern – jedoch gleicht keines dem anderen. Manche Stoffe wirken zart, fast durchscheinend, andere eher grob und fest. Die einen sind filigran gemustert, andere einfacher „gestrickt“. Abstrakte und verspielte Muster wechseln sich ab. So bunt kann und soll die Gemeinschaft von Christen aussehen. Das Reich Gottes ist keine Monokultur und übersteigt unseren begrenzten Horizont! Es gibt Felder mit aufgedruckten Worten in unterschiedlichen Sprachen und Schriften. Damit weitet die Künstlerin unseren Blick für die Gemeinschaft von Christinnen und Christen in aller Welt, die weltweite Ökumene. Längs- und Quernähte verbinden die einzelnen Elemente. Einige verlaufen schief und krumm. Trotzdem verbinden sie und erscheinen im Gesamtbild als Kreuze. … Der leuchtende Kreis erinnert auch an eine Lupe, die dazu einlädt, genauer hinzusehen. Unser Leben im Lichte Gottes zu betrachten, die Schönheit der einzelnen Stücke zu entdecken – und rechtzeitig zu merken, wo eine Naht zu reißen droht. Der leuchtende Kreis lädt dazu ein, anzuknüpfen, sich einzubringen, seinen Platz zu entdecken. Gemeinde Jesu kann so zu einem Ort werden, an dem ich mich wohl fühle. Weil ER den Flickenteppich zusammenhält.

Text von Renate Karnstein (verlagambirnbach.de)

Blogeintrag
Autor: Renate Karnstein
Datum: 1. Jan 2015
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