Neujahrsansprache

Für mich ist der folgende Bibeltext (Jeremia 13,1-11) eine mögliche Annäherung an die Aussage der Jahreslosung, ohne dass darin explizit von Nähe oder Glück die Rede ist. Im Gegenteil: Es wird mehr von Unglück und Schaden berichtet. „Gott nicht nahe zu sein ist mein Unglück“, so könnte hier die Kernaussage lauten. Auch ist die Jahreslosung eine Aussage eines einzelnen Menschen (des Beters Asaph) wogegen der Jeremiatext vom Volk Gottes und seiner Gottesbeziehung spricht. Und der dritte Unterschied ist schließlich, dass hier im Text Gott sich die Nähe seines Volkes, seiner Kinder wünscht und nicht umgekehrt der Mensch Gottes Nähe sucht. 

Der Herr sprach zu mir: „Kauf dir einen Gürtel aus Leinen, binde ihn dir um und sorg dafür, dass er nicht nass wird!“ Ich kaufte einen Gürtel und legte ihn an. Da gab mir der Herr einen neuen Auftrag: „Geh mit deinem neuen Gürtel an den Euphrat, und versteck ihn dort in einer Felsspalte!“ Ich tat, was der Herr mir gesagt hatte, ging zum Euphrat und versteckte den Gürtel dort. Nach langer Zeit sprach der Herr zu mir: „Geh wieder an den Euphrat, und hol den Gürtel, den du auf meinen Befehl dort versteckt hast!“ Da wanderte ich wieder zum Euphrat und holte den Gürtel aus seinem Versteck hervor. Er war verrottet und zu nichts mehr zu gebrauchen. Der Herr sprach zu mir: „Genauso werde ich den Hochmut der Bewohner von Jerusalem und ganz Juda zunichtemachen. Sie sind ein boshaftes Volk, das sich weigert, auf mich zu hören, und tut, wozu sein Eigensinn es treibt. Anderen Göttern laufen sie nach, dienen ihnen und beten sie an - darum werden sie diesem Gürtel gleichen, der zu nichts mehr zu gebrauchen ist! Wie sich ein Mann seinen Gürtel umlegt, so wollte ich, der Herr, mich mit Israel und Juda schmücken. Mein Volk sollten sie sein, meinen Namen bekannt machen, mir Lob und Ehre bringen - doch sie haben mir nicht gehorcht!“ Gott wollte – so lesen wir in V 11- dass sich sein Volk wie ein Gürtel an ihn anschmiegt. 

Sich anschmiegen bedeutet ja nichts anderes, als jemandem ganz nahe sein zu wollen. Das möchte Gott mit seinen Kindern erleben, wie auch wir als Eltern mit unseren Kindern gute Gemeinschaft haben wollen. Und ebenso wie wir Menschen oft egoistisch sind, zeigt hier auch Gott seine egoistische Seite Er will zunächst sich mit seinem Volk schmücken. Er will, dass die Menschen zu ihm kommen, in seine Nähe. Und er sagt: „Ich will es zuerst wegen mir: Sie sollen mein Volk, mein Schmuck  sein, mir zum Lob und zur Ehre leben“. Die Geschichte Gottes mit seinem Volk, mit uns, ist zunächst nicht auf uns Menschen ausgerichtet. Nicht wir sind im Zentrum.

Es geht immer zuerst um Gott und um seine Sehnsucht nach uns Menschen. Diese Sehnsucht, die ihn schier verzehrt. Warum Gott diesen Weg gewählt hat bleibt uns letztlich verborgen – bleibt Gottes Geheimnis. Aber was wir aus diesem Text erkennen können ist doch folgendes: Gott sehnt sich nach Gemeinschaft, nach inniger Beziehung mit uns Menschen, mit dir und mir – Sinn des Menschseins, und somit Ziel der Geschichte Gottes mit den Menschen ist die Verherrlichung und Verehrung Gottes.

Wir sind oft damit beschäftigt, unser Leben so zu organisieren, dass wir glücklich und zufrieden leben. Wir wenden viel Zeit und Energie dafür auf. Wir wollen letztlich auch das Gefühl haben, etwas Sinnvolles in unserer Lebenszeit vollbracht zu haben. Das ist auch nicht grundsätzlich verwerflich, aber die Frage dürfen wir uns stellen: was hat Priorität und was will Gott? Er will nicht in erster Linie Aktionen und Programme. Wir sollen Gottes Schmuck und Zierde sein – zu seinem Lob, zu seiner Ehre. Ist das ein Lebensziel? Genau dorthin will uns Gott durch seine Heilsgeschichte führen. Er versteht als unser Schöpfer mehr vom Menschsein als wir. Und er weiß, dass dann, wenn wir ihn ins Zentrum rücken, auch für uns das Leben vollkommen ist. „Sei Du der Mittelpunkt in meinem Leben“ singen wir gerne. Wenn das so ist, können wir auch neutestamentlich mit Mt. 6,33 sagen: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ Unter „das alles“ fallen dann auch Glück und Zufriedenheit. Unser Bibeltext zeigt uns aber auch die tragische Seite des Menschen in der Beziehung zum Schöpfer. Im Bild ausgedrückt: Der Gürtel, der eigentlich ein Schmuckstück sein sollte, ist weit weg von Gott, ist vergraben, verdirbt, wird schimmlig, vermodert, wird völlig unbrauchbar. Diese Beziehung, die Gott mit den Menschen – die Gott mit uns haben möchte, wird immer wieder durch das Verhalten der Menschen, durch mein und dein Verhalten gestört:

Ich schmiege mich nicht an Gott, sondern an andere Götter an. Suche an anderen Orten Nähe, Glück und Geborgenheit. Gehe fremd. Wie wichtig sind mir Arbeit, Erfolg, Ansehen, Geld, Anerkennung, Macht? Bin ich – sind wir frei von Selbstsucht? Im Unterschied zum Alten Bund zieht sich Gott heute aber nicht mehr zurück. Durch Jesus, der am Kreuz für unsere Schuld starb, kommt Gott uns entgegen, so wie der der Vater im Gleichnis dem jüngeren Sohn, der nach seinen Erfahrungen in der Ferne und unter den Schweinen wieder nach Hause zurückkehrt. Seine Suche an anderen Quellen hat seinen Durst nach Leben nicht gestillt.

Ich glaube, das können wir nur mit dem Herzen, und nicht mit dem Kopf verstehen. Mit dem Herzen verstehen heißt, diese innige Gemeinschaft mit Gott suchen und dabei deutlich spüren, dass es keinen besseren Ort gibt als in der Nähe Gottes, - angeschmiegt wie ein Gürtel – ganz nah am Herzen Gottes. Für das Jahr 2014 wünsche ich mir, dass wir:

Gemeinschaft erleben - mit Gott und Menschen

Nachfolge leben und dadurch im Glauben wachsen

Anbetung Gottes praktizieren

Dienen - mit unseren Gaben

Evangelisieren - die Gute Botschaft weitertragen

Das alles nicht aus uns und eigener Kraft, sondern aus Gottes Gnade und Kraft. Und: dass wir alle es erleben und bekennen können: Gott nahe zu sein ist mein Glück.

Blogeintrag
Autor: Reiner Goy
Datum: 20. Jan 2014
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